
Was für eine Woche. Wir schauen zurück auf die Bundestagswahl. Die Hälfte der Menschen in Deutschland lässt sie ratlos zurück, egal, aus welcher Perspektive man schaut. Das ist an sich noch nicht ungewöhnlich. Was jedoch ungewöhnlich ist, ist die Unerbittlichkeit des Rechthaben-Wollens. Aus dem Boden schießen staatlich subventionierte Denunziations-Büros, in denen wir, falls andere anderer Meinung sind, unseren Opa, die Tante, die beste Freundin, unsere Teeanger und die wiederum ihre Eltern anschwärzen können wie zu allerschlimmsten DDR-Zeiten. Und zwar schon dann, wenn sie nur etwas Falsches DENKEN.
Wir schauen zurück auf zwei kleine, rothaarige Jungs, der eine vier Jahre alt, der andere 10 Monate, deren Särge erst mit Musik und Tanz auf einer Bühne präsentiert und dann dem kleinen, überlebenden Rest ihrer Familie nach 500 Tagen bangen, vergeblichen Wartens übergeben wurden; mit Schlüsseln, die nicht in die Schlösser der schwarzen Kisten passten, in denen ihre Überreste lagen. Was mich in dieser Woche bis ins Mark erschreckt hat, ist die Perversion des Bösen… als sei das Böse noch nicht böse genug.
WAS IST LOS MIT DIR, WELT?
Und so ging es dann gleich weiter.
Die orangefarbenen Ballons am Himmel waren noch nicht ganz am Horizont verschwunden, als Freitagnacht die Hoffnung starb, dass es vielleicht doch noch irgendeine Art des ursprünglich angedachten Friedens in Europa geben könnte. Stattdessen hat der Mangel an Unterscheidung zwischen Deal und Diplomatie zu einem unkittbaren Zerwürfnis auf der politischen Weltbühne geführt. Die Kriegsrethorik ließ nicht lange auf sich warten. Von 50 Millionen Menschen, die Zeuge der Eskalation im Weißen Haus wurden, haben offenbar alle 5o Millionen unterschiedliche Live Streams gesehen. Worauf sich jedoch viele einigen konnten, war, dass der ukranische Präsedent nicht optimal angezogen war, als er mitsamt seiner Nation unterging.
Was mich zu der Erkenntnis brachte, dass Wahrheit in Wirklichkeit nicht Wahrheit, sondern immer lediglich EINE Meinung darstellt; wie ein unscharfes Foto, während wir das große Ganze nicht ansatzweise erkennen können.

Beschämung und Schuldumkehr sind die neuen Waffen.
Ich schaue zurück auf eine Zeit ohne Krieg und als es noch möglich war, auf einen Weihnachtsmarkt zu gehen oder auf einer Bank zu sitzen, ohne einen potenziell tödlichen Anschlag fürchten zu müssen. Für die PolitikerInnen liege ich da falsch: Wenn man aus dem Haus geht, muss man eben auch damit rechnen, nicht lebend heimzukehren.
Das klare Denken, das Gefühl für richtig und falsch, die Verlangsamung der Wut, das tiefe Durchatmen und die Empathie sind in der letzten Woche am Horizont verschwunden wie die orangefarbenen Ballons.
Sie haben dem Platz gemacht, was Orwell in seinem Roman "1984" in geradezu prophetischer Klarheit voraussah… außer, dass es noch tausendmal schlimmer kam als in seinem Buch.
Sie sind dem "What Aboutism" gewichen, dem "Ja, aber". Amerikas berühmtester Psychologe Dr. Phil sagt: "Ein Satz, der mit 'aber' beginnt, macht alles zuvor gesagte unwirksam."
Aus den dunklen, modrigen Tunneln der Hamas wurde ein junger Mann nach gut 500 Tagen "entlassen", der an Zöliakie und Asthma leidet. Seine Nahrung bestand während der gesamten Zeit im besten Fall aus einem verschimmelten Pitabrot pro Tag. Alle von Euch, die Zöliakie haben, wissen, was allein ein solches Weizenbrot mit einem macht. Und ja, im Vergleich zu allem anderen ist es absolut bedeutungslos. Ich kann dennoch nicht aufhören, innerlich ununterbrochen Pakete mit glutenfreien Keksen für ihn zu packen.
Der innere Kompass
Wenn wir erst anfangen, erklären zu wollen, warum Kleinkinder in Bollerwagen ermordet werden, oder wer wen als erster überfallen hat, oder welche Partei die richtige ist, sind wir bereits verloren. Wenn wir merken, wie wir den anderen einfach nur noch fertig machen wollen, haben wir schon zu unseren schlimmsten Waffen gegriffen. Auf unserem inneren Kompass rotiert die Nadel nur noch in sinnlosen Kreisen um das Bedürfnis, unter allen Umständen recht zu haben.
Dann haben wir den inneren Ort verlassen, an dem uns das Leben mitten ins Herz trifft; an dem wir – wie die Mutter des jungen Mannes in den Tunneln – 500 Tage ein Foto von unserem Kind hoch in die Kamera halten und versuchen, es nach Hause zu beten. An dem wir anderen ihre völlig entgegen gesetzte Meinung lassen können, ohne sie seelisch oder körperlich anzugreifen. An dem wir nicht Team Trump oder Team Putin sein müssen, sondern einfach TEAM MENSCH sein können.
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